17.08.2022

Die Paarbeziehung ist zerrüttet und der Wille zum gemeinsamen Haushalt besteht nicht mehr? Kann man in einem solchen Fall bereits ein Ehescheidungsverfahren einleiten? Und was ist eigentlich ein Eheschutzverfahren?  

 

Der Begriff des «Eheschutzes» findet seine Bedeutung in seinem ursprünglichen Zweck: Einerseits wollte man eine zerrüttete Ehe versöhnen und Schwierigkeiten in der Ehe aufheben, andererseits eine völlige Distanzierung der Ehegatten verhindern. Heute ist der Eheschutz für jene Fälle vorgesehen, in denen eine Ehe gescheitert ist und das Ehepaar den gemeinsamen Haushalt auflösen möchte. Der einfachste und schnellste Weg stellt jene Situation dar, in welcher sich die Ehegatten über die Trennung selber und deren Folgen einig sind (bspw. wer aus der gemeinsamen Wohnung auszieht und wie die Möbel zu verteilen sind). Dabei kann das trennwillige Ehepaar diese Abmachungen in einer Trennungsvereinbarung niederschreiben, ohne vor Gericht gehen zu müssen; ein Eheschutzverfahren muss also nicht zwingend eingeleitet werden.  

 

Ein Eheschutzverfahren vor Gericht wird dann durchgeführt, wenn sich die Eheleute zwar mittels einer Trennungsvereinbarung einigen konnten, jedoch gemeinsame, minderjährige Kinder aus der Ehe entspringen. In solchen Fällen muss die Trennungsvereinbarung vom Gericht genehmigt werden. Das Gericht überprüft, ob der Kinderunterhalt oder die Regelungen über die Betreuung der Kinder angemessen ist. Ein Eheschutzverfahren wird zudem eingeleitet, wenn die Ehegatten sich über die Trennungsfolgen nicht einigen können oder einer der Ehegatten sich gegen eine Trennung stellt. 

 

Das Eheschutzverfahren beginnt mit der Einreichung eines schriftlichen oder mündlichen Gesuchs der Ehepartnerin/des Ehepartners um Bewilligung des Getrenntlebens an das zuständige Gericht (am Wohnort eines der Ehegatten). Beizulegen sind diverse Unterlagen, insb. zu den finanziellen Verhältnissen der Familie. Das Gericht lädt die Ehegatten zu einer mündlichen Einigungsverhandlung ein. Das Ziel ist es, an dieser Verhandlung eine Einigung über die wichtigen Punkte zu erzielen. Werden sich die Ehegatten über die Folgen der Trennung einig, hält dies das Gericht in der sogenannten Volleinigung fest. Scheitert allerdings die Verhandlung, entscheidet das Gericht über die Folgen der Trennung und trifft sogenannte Eheschutzmassnahmen. Dazu gehören unter anderem die Regelung des Getrenntlebens, die Zuteilung der Familienwohnung an einen Ehegatten, die Verteilung der gemeinsamen Möbel, die Betreuung der Kinder und das Besuchsrecht. Das Gericht versucht in jedem Fall zumindest eine Teileinigung zu erzielen, in welcher es lediglich in den Streitpunkten selber entscheidet. 

Nach einem Eheschutzverfahren gelten die Ehegatten als «gerichtlich getrennt». Die Ehescheidung hingegen beendet die Ehe. Das schweizerische Scheidungsrecht sieht drei mögliche Gründe für eine Scheidung vor. Zunächst kann die Ehe einvernehmlich geschieden werden (sog. «Scheidung auf gemeinsames Begehren»). Der Scheidungswille muss nicht begründet werden. Gemeinsam mit diesem „Scheidungsbegehren“ kann einvernehmlich eine Vereinbarung über alle Nebenfolgen der Scheidung abgeschlossen werden. Diese Vereinbarung ist für das Gericht massgebend, wenn es über die Folgen der Expartner und Kinder entscheidet. Es kann ausnahmsweise davon abweichen, wenn die Vereinbarung nicht angemessen erscheint oder im Widerspruch zu den Interessen der Kinder steht. Weiter besteht die Möglichkeit eine Scheidung zu verlangen, auch wenn der Ehegatte/die Ehegattin damit nicht einverstanden ist («Scheidungsklage»). In einem solchen Fall muss grundsätzlich die zweijährige Trennungszeit eingehalten werden; die Ehegatten müssen also während mindestens 2 Jahren getrennt gelebt haben. Das im Rahmen des Eheschutzverfahrens festgelegte Trennungsdatum dient dabei als Nachweis. Von dieser Zweijahresfrist kann allerdings abgewichen werden, wenn es für den Ehepartner/die Ehepartnerin nicht zumutbar ist, die Ehe weiterzuführen (zum Beispiel, wenn ein Fall häuslicher Gewalt vorliegt). Das Ehescheidungsverfahren endet in allen drei Fällen mit dem Scheidungsurteil. Das Gericht entscheidet dabei über die Folgen der Scheidung, berücksichtigt allerdings auch hier jene Punkte, in welchen sich die Ehegatten einigen konnten. 

 

Das Eheschutzverfahren hat den Vorteil, dass das Verfahren schnell abläuft (grundsätzlich werden nur mündliche Verhandlungen geführt), während ein Ehescheidungsverfahren sich über mehrere Jahre erstrecken kann (insbesondere, wenn sich die Ehegatten nicht einigen können). Das Eheschutzverfahren ist also sinnvoll, wenn möglichst schnell eine Regelung für die Trennungszeit getroffen werden soll oder wenn sich die Ehepartner zwar nicht mehr verstehen, sich jedoch noch nicht scheiden lassen möchten. Es stellt somit die Vorstufe einer Scheidung dar. Sind beide Ehegatten einverstanden, kann aber auch gleich direkt die Ehescheidung eingeleitet werden. In beiden Fällen besteht für Ehegatten mit bescheidenen finanziellen Mitteln die Möglichkeit, ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu stellen.  

 

Autorin: Cécile Send, BLaw